„Fürsten“ waren, wie man weiß, mehr oder weniger betuchte Elitenvertreter, die in Schlössern wohnten, aber gerne auch einmal in Reichsstädten abstiegen, auf Reisen natürlich und nur standesgemäß. Im alten Nordhausen vor den letzten Weltkriegen taten sie das z.B. im „Römischen Kaiser“, im „Hotel Prinz Carl“, „Hotel Victoria“ oder eben in einem „Hotel Fürstenhof“. „Bürger“ dagegen waren und sind meistens jene, die Städte (bloß) bewohnen und arbeitseifrig durch die Gassen eilen. Sie nächtigten, wenn etwa geschäftlich unterwegs, sicher öfter in einem der anderen Nordhäuser Gasthäuser, vielleicht gleich im Bahnhofshotel, in „Gründlers Hotel“ oder genehmigten sich schlicht einen ’Absacker‘ in einer Stehbierhalle.
In demokratiefreudigen Zeiten wie heute dagegen kann Herr oder Frau „Jedermann“ z.B. im heute wieder geöffneten Nordhäuser „Hotel Fürstenhof“ wohnen, auch ohne Titel. Man muß es sich aber natürlich leisten können. Allerdings ist die Zahl solcher niveauvollen Gasthäuser heute überraschend kleiner, als vor 1945. Und das obwohl doch die Nordhäuser Bevölkerung stark gewachsen, auch vielfältiger, bunter, bedürfnisreicher und also anspruchsvoller geworden ist. Woran das wohl liegt, ist freilich archivisch kaum zu ergründen….
1927, im Jahr der publikumsträchtigen Tausendjahrfeiern der ehemaligen Reichsstadt Nordhausen jedenfalls war das Hotelangebot beeindruckend. Zwar wurde noch – wie auch heutzutage wieder – über die nach der letzten Revolution doch endlich fällige „Fürstenenteignung“ oder wenigstens deren politisch korrekte Abfindung gestritten. Aber vor allem feierte die demokratisch gewordene Reichsstadt ihre langbewährte Kaisertreue durch Jubiläumsfeierlichkeiten 1. Klasse.
Wie durch den Heimatforscher Fritz Schmalz bekannt – ein Teil seines Nachlasses liegt im Stadtarchiv – und 2021 durch die freundliche Schenkung eines Nachfahren reichhaltig illustriert, löckten damals die Hoteliers Curt Marhold und seine Gattin Gertrud mit einer Neugründung wider den „Fürsten“-Stachel der Konkurrenz.
Denn mit Blick auf die erwartete Touristenwelle gründeten sie 1927 mit hohem Aufwand auf dem früheren Barenholzschen Grundstück (alte Haus-Nr. 1053) am Ende der Bahnhofstraße, Ecke Neustadtstraße, ein neues „Hotel Bürgerhof“ – im klaren Kontrast zum „Fürstenhof“ am Bahnhofsvorplatz. Dessen Adresse war Neustadtstraße 13/14, zwischen dem Zugang zur Lesserstiege und der Eisenwarenhandlung Dienemann. Das Haus lag auch geographisch direkt in der Fluchtlinie des Bahnhofs. Heute steht dort etwa das Alten- und Pflegeheim „St. Jakob-Haus“ der Evangelischen Diakonie.
Jene Speisekarte des Jahres 1927 – schick aufgemacht für alle erhofften Reichsstadttouristen – versprach ein breitenwirksames Angebot für wenig fürstlich ausgestattete Geldbörsen.
Es ging lt. Werbenotiz in einer Zeitung „bürgerlich, dabei aber vornehm und gediegen“ zu, das Speiseangebot war eher ‚altdeutsch‘ ausgerichtet, zudem war dem Hotel eine Stehbierhalle angeschlossen.
Laut Werbung wurden 18 Gastzimmer mit 30 Betten in dem ansehnlichen und mit eindrucksvoller Fassade gestalteten Haus geboten. Alle Zimmer waren mit Dampfheizung und fließend warmen und kaltem Wasser ausgestattet, in der Küche „alles nach den modernsten Erfahrungen eingerichtet“ – mit einem Wort: zeitgemäß!
Andererseits hatte die Adresse kulinarische Tradition und sicher auch einen Kundenstamm vererbt bekommen, denn schon 1877 hatte sich hier ein „Schweizer Hof“ befunden, und um 1900 firmierte das Lokal unter seinem Wirt Heinrich Elster sogar anspruchsvoll als „Central-Gasthof“. Unter Leitung der Eigentümerfamilie Marhold bestand das Hotel freilich nur bis zu seiner völligen Zerstörung 1945 im Gefolge des Luftkrieges.