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Beitrag von: reprowebdesign

Stadtarchiv im „Stresstest“ – für die Nachwelt

Schriftgut früherer Generationen ist nicht unbedingt gefährlicher Restmüll, sieht aber manchmal so aus….

Es kann dennoch wertvoller Überrest sein, das Vergangenheit zuverlässiger dokumentiert, als manche Pressemitteilung. Schriftgut von Großeltern oder Verwandten, das als Vorlass und z.B. testamentarisch in ein öffentliches Archiv gelangt, ist zum Sprechen gebrachtes Zeugnis – belastbarer als manche Erinnerungen oder das Jägerlatein derer, die ‚dabei gewesen‘ sind. Doch die Überlieferung Nordhäuser Persönlichkeiten oder Firmen im Stadtarchiv ist äußerst dünn. Das erklärt sich nicht nur durch den Verlust im Bombenhagel 1945, die Flucht nach Westen oder den Entsorgungseifer vieler um1990/1991. Auch Erben sind oft überfordert, wenn ihnen bewusstwird, was die Elterngeneration aufbewahrt hat – und nun sie ‚entsorgen‘ sollen. Oder aber es geht einer Verwaltung, einer Sammlerin oder einem Liebhaber etwas daneben, weil Kraft, Zeit und Mittel zur Unterbringung fehlen.

Doch sofern die Unterlagen archivwürdig sind und die Gefahren rechtzeitig erkannt werden, stellt sich das Stadtarchiv nicht zum ersten Mal dem archivarischen „Stresstest“: Ende Juni 2021 war es wieder soweit:

Bei Gefahr im Verzug muss bröselndes oder gar schimmelverseuchtes Schriftgut aus verstaubten, oft auch feuchten Kellern oder Dachböden geborgen und konservatorischer Rettung für die Nachwelt zugeführt werden. Im vorliegenden Fall darf das Archiv davon ausgehen, dass die Sterilisation und Reinigung der nur 1,5 laufenden Meter stark verschimmelten Schriftgutes etwa 2.000 € inkl. Mehrwertsteuer kosten werden!

Noch ist unklar, ob es durch Routine, ohne Gesundheitsgefährdung und mit ‚Bordmitteln‘ gelingen wird, diese wertvollen Nordhäuser Familien- und Firmenunterlagen aus dem späten 19. Jahrhundert an eine Fachfirma zur konservatorisch unverzichtbaren „Entwesung“ zu übergeben.

Wenn ja, könnten diese im Frühherbst 2021 trocken und sauber in Nordhausen zurückerwartet werden. An einer Einwerbung von Fördermitteln für eine pragmatische Nordhäuser Lösung zur eigenständigen Grundreinigung verschmutzten Schrift- oder Buchgutes arbeitet das Archiv schon länger.