Alle Beiträge: Archivale_des_Monats


Beitrag von: Dr. Wolfram G. Theilemann

Dankeschön ! … Rüdigsdorfer Kommunalrechnungen des 18. Jahrhunderts kommen ins zuständige Archiv

Wer eine Rechnung bekommt, ist selten glücklich. Wer viele Rechnungen bekommt, erschrickt meistens. Zu viele unbezahlte Rechnungen rufen Schuldnerberater oder gar Insolvenzverwalter herbei. Nur die wenigsten Schuldner bringen es freilich ins Fernsehen, wo ihnen – vielleicht ? – ein netter Mensch hilft.

Mit den Jahresrechnungen einer Südharzer Kommunalverwaltung aus dem 18. Jahrhundert ist das ganz anders! Da freute sich jüngst die Archivbelegschaft und sicher auch einige Heimatforscher, daß eine ziemlich lückenlose Rechnungsserie in sehr gutem Erhaltungszustand ins Stadtarchiv flatterte.

Es passierte in zwei Schüben 2022 und im Februar 2023 und tauchte auf aus dem faszinierenden Durcheinander der Flohmärkte: 14 fadengeheftete Jahresrechnungen der Gemeindeverwaltung Rüdigsdorf im Format 16° aus dem Zeitraum 1743 – 1814, geführt von den jeweiligen Ortsvorstehern, den Herren Liesegang, Itelgerge, Tölle u.a. Sie wurden von verschiedenen aufmerksamen Heimatfreunden in Nordhausen entdeckt, verdienstvollerweise erworben und dann dem Stadtarchiv für einen moderaten Obulus übereignet. DANKE sehr !

Titelblatt der Jahresrechnung der Gemeinde Rüdigsdorf 1743-1745

Auch wenn das Stadtarchiv dieses Mal keine Lesser-Stiftung bemühen mußte, um angesichts knapper Haushaltsmittel ein Archivale zu erwerben, handelt es sich gleichwohl um inhaltlich wertvolles, in hiesiger Landschaft seltenes und sozial- und wirtschaftsgeschichtlich leicht auswertbares Schriftgut aus weit zurückliegender Zeit. Jede Verwaltung, selbst die kleiner Dörfer, hatte ja auch schon damals Jahresrechnungen zu führen, die vom Ortvorstand geprüft und auch bei vorgesetzter staatlicher Stelle präsentiert werden mussten. Sie enthalten in der Mitte des 18. Jahrhunderts gerade in Übung kommenden, kameralistischen Form ihre komplette Haushaltsführungsbilanz für das Rechnungsjahr (April – April oder von Michaelis im September – Michaelis im folgenden Jahr) oder gar mehrere Jahre. Die meistens 18-20-seitigen Rechnungen bieten dadurch eine statistisch auswertbare und präzise Quelle für Aufgaben, Nöte und Lösungen der damaligen Ortsgemeinde – schließlich ging es wie heute um rechte Verwaltung von öffentlichem Geld.

Nähme man dann noch:

  • die ganz ähnlich und nicht selten schon seit um 1550 erhaltenen Jahresrechnungen der jeweiligen Kirchengemeinde hinzu, wie sie in deren Pfarrarchiven wie z.B. in Unterweißbach gerade jüngst wiedergefunden wurden,
  • ein Rechnungsbuch des lokal maßgeblichen Rittergutes wie z.B. Beichlingen, dann können kluge Köpfe daraus farbig und spannend die Lebensstandards im Dorf im Jahre X erforschen oder gar das Bruttosozialprodukt ganzer Landschaften ermitteln.
Innenseite 6f. aus Jahresrechnung der Gemeinde Rüdigsdorf 1810-1811

Nicht zuletzt waren solche Jahresrechnungen originär öffentliches Archivgut und sind es bis heute. Eigentlich hätten sie in der Gemeindeverwaltung sicher aufbewahrt liegen oder ins Kreisarchiv bzw. mit deren Eingemeindung ins Stadtarchiv kommen müssen. Doch außer für Rüdigsdorf (Best. 2.10.) gibt es im Nordhäuser Stadtarchiv nur aus Steigerthal und Buchholz einige wenige vergleichbare Jahresrechnungen. Selbst für Nordhausen ist solche Überlieferung nicht gerade intakt, obwohl die Forschergemeinde, z.B. bei den Mühlhäuser Reichsstadttagungen, diese zunehmend nachfragt. Aus den 13 anderen Nordhäuser Ortsteilen ist überhaupt nichts dergleichen aus dem 17. – frühen 19. Jahrhundert ins Stadtarchiv gelangt. Das schmälert die Quellengrundlage für ihre Ortschroniken schmerzhaft. Wo mögen aber die Rechnungsserien aus Hochstedt, Bielen oder Sundhausen dann heute noch stecken?

Am besten, ein Kollege vom Stadtarchiv geht regelmäßig mit dicker Brieftasche zum Flohmarkt, das weitere wird sich schon finden…, meinen Sie? Da das aber leider so nicht geht, bitten wir:

Augen auf für Dokumente ! Wir sammeln Stadtgeschichte – Danke und – Sie sind willkommen !