Zur Geschichte des Stadtarchivs
Die Anfänge des Stadtarchivs dürften im 13. Jahrhundert liegen. Die Statuten von 1350 sprechen bereits vom „gewelbe, da die privilegia ligen“ im Rathaus, wo noch bis ins späte 19. Jahrhundert das Archiv untergebracht war. Doch war bis ans Ende der Reichsfreiheit 1802 die Grenze zwischen Archiv und Kanzlei, die in ihrer Registratur neben aktuellem Schriftgut auch längst archivreife Unterlagen aufhob, schwer zu bestimmen. Wie vielerorts war auch hier das Archiv ein Stiefkind der reichsstädtischen Verwaltung, wie sie R.H. Walter Müller in seiner „Geschichte des Nordhäuser Stadtarchivs“ 1953 beschrieb.
Auf Anforderung der Provinzialregierung und im Auftrag des Magistrats fertigte 1841 der Gymnasialprof. Dr. Ernst Günther Förstemann, seit 1816 am Gymnasium tätig, ein erstes Verzeichnis der Urkunden und Amtsbücher, gebundenen Akten und Handschriften an. Ein umfangreiches Repertorium stellte er 1858 fertig. Das Interesse Förstemanns, seiner wenig oder nur kurz wirksamen Nachfolger Dr. Theodor Perschmann und Dr. Max Heyse, vor allem aber der Heimatforscher Dr. Richard Rackwitz und Karl Meyer sowie des von 1890 – 1893 ehrenamtlich wirkenden Paul Oßwald war vornehmlich auf die Urkunden gerichtet. Oßwald verpackte erstmals den Urkundenbestand in Schutzumschläge und versah diese mit Beschreibdaten. Seine Absicht, auch die Repertorisierung der reichsstädtischen Aktenbestände in Angriff zu nehmen, ist erst von Hermann Heineck, 1893 bis 1930 nebenamtlicher Stadtarchivar, verwirklicht worden. Eine zweckmäßige Unterbringung des Archivs erfolgte erstmals 1927 mit dem Umzug in ein eigenes Haus Mauerstraße 27, dem ehemaligen Stadtgefängnis (!).
H. Heinecks Nachfolger von 1930 – 1934, der Seminardirektor a.D. Dr. Heinrich Lewin, setzte das Ordnen und Verzeichnen älterer Akten fort. Während der Amtszeit von Dr.-Ing. Friedrich Stolberg 1934-1938 konnte u.a. der Band 1 des Nordhäuser Urkundenbuches, bearbeitet von Dr. G. Link, 1936 herausgebracht werden. 1939 folgte der 2. Band mit den Urkunden „von Fürsten, Grafen, Herren und Städten“, bearbeitet durch Dr. G. Meißner. Nach dem Weggang Dr. Stolbergs betreuten Studienrat i. R. Dr. Hans Silberborth (1938-1939) und der emeritierte Gymnasialprofessor Christian Oelmann kurze Zeit das Archiv, bis aufgrund des Weltkrieges 1943 die Arbeit zum Erliegen kam. Ein großer Teil der Archivalien wurde in Tresore der Polizei und der Sparkasse sowie in das etwa 20 km entfernte Dorf Werningerode (heute Steinsee) ausgelagert. Die Luftangriffe vom 3.04. und 4.04.1945 vernichteten das Archivgebäude fast völlig und mit ihm wertvolle Aktenbestände – vor allem jene der reichsstädtischen Zeit – und die Archivbibliothek. Offenbar fielen anschließend auch zahlreiche Archivalien, die in den Tresoren die Zerstörung ohne Schaden überstanden hatten, Plünderern zum Opfer. Personalakten, Teile der Altregistraturen der Stadtverwaltung bis hin zum Melderegister waren bereits von Mitarbeitern aufgrund des Hitlerschen „Nero“-Befehls vernichtet worden.
Auf Initiative Dr. H. Silberborths begann noch 1945 die Wiederherstellung des Archivs. Die Rückführung aller ausgelagerten Archivalien war bis Juni 1946 abgeschlossen. Mit der Sichtung und Neuordnung wurde der ehemalige Studienrat Dr. Hermann Engelhardt beauftragt. Die Überprüfung der Kriegsverluste ergab zwar einen nur minimalen Abgang von etwa einem Dutzend Urkunden. Außerordentlich starke Verluste waren dagegen bei den Akten, sehr große Verluste bei den Amtsbüchern und sonstigen gebundenen Handschriften, Innungsakten und Chroniken zu verzeichnen. Immerhin ist der Umstand günstig zu nennen, dass die meisten der in einem Vortrag 1913 angeführten „Zimelien“ den Krieg überstanden hatten: außer gut 2.500 Urkunden u.a. Bürgerregister und Privilegienbücher, Statuten, das „Mühlhäuser Reichsrechtsbuch“, das „Rauhe Buch“, oder die „Collectanea Northusana“ des Dr. Conrad Fromann.
1952 wurde die Stelle des Stadtarchivars in eine hauptamtliche umgewandelt. R. H. Walther Müller (1899-1969), ehemaliger Exportkaufmann, Lehrer, Gründer und langjähriger Vorsitzender des Genealogischen Vereins Nordhausen, war seit 1949 nebenamtlich, dann von 1952 – 1961 (bis 1958 auch als Museumsleiter) mit einigem Erfolg bemüht, die Geringschätzung und Isolierung des Archivs zu überwinden und es neben seiner Funktion für die Verwaltung auch als „historisches Forschungsinstitut“ zu profilieren.
1952 siedelte das Archiv aus den Bodenkammern des „Meyenburg-Museums“ (heutiges Kunsthaus Meyenburg) in Zimmer des restaurierten Alten Rathauses über. Nach R.H.W. Müllers Ausscheiden 1961 folgte ihm 1963 die frühere Verwaltungsfachfrau Frl. Gusta Eggers (1907-1985) als Leiterin bis Ende 1983. Seit 1965 unterstützte Frau Lotte Volkwein (1925-2009) sie als Sachbearbeiterin, ab 1973 in Vollzeit. 1975 konnte das Archiv in das Obergeschoss des „Walkenrieder (Kloster-) Hofes“ in der Waisenstraße übersiedeln, wo es mehr Stellfläche und Benutzungsmöglichkeiten erhielt. Von 1984 – 1990 leitete Frau Volkwein selbst das Archiv und arbeitete Archivassistentin Frau Manuela Schmidt ein, die seit 1988 bis heute im Dienst ist.
Von September 1990 – März 2004 hatte der frühere Geschichtslehrer Dr. Peter Kuhlbrodt die Archivleitung inne und profilierte es vor allem durch Quelleneditionen und eine eigene Quartalsschrift, die von der westdeutschen Heimatortsgemeinschaft übernommenen „Nordhäuser Nachrichten. Südharzer Heimatblätter“. Im Sommer 1997 zog das Archiv wieder einmal in neue Büro- sowie Magazinräume im Neuen Rathaus bzw. einem Außenstandort im Walkenrieder Hof um. 2004 – 2011 folgte ihm der ehemalige Geschichtslehrer, engagierte Archäologe und Denkmalpfleger Hans-Jürgen Grönke als Stadtarchivar. Er ist seit 1995 bis heute Vorsitzender des 1991 wiederbegründeten Nordhäuser Geschichts- und Altertumsvereins.
Seit Januar 2012 leitet Dr. Wolfram G. Theilemann das Stadtarchiv. 2017 konnte das Archiv ein neues Außenmagazin beziehen, das 2020 erweitert werden konnte. 2020 konnte es auch neue Büro- und Magazinräume im Neuen Rathaus beziehen. Eine langfristige, aufgaben- und standardgemäße Raumlösung – zumal für die Magazine – im Interesse von Nutzern und Archiv steht allerdings noch aus. Sie würde den einschlägigen Stadtratsbeschluss aus 2013 realisieren.