Otmar Hoefer (Hg.), “Jugenderinnerungen des Geheimrathes Hoefer”. Eine wahre Geschichte aus der Zeit 1851 bis 1871, aufgeschrieben von Otto Hoefer 1905
Glaubwürdige historische Information gibt es nur dank belastbaren, überprüften Quellen. Solche muß man suchen, finden, prüfen und – anderen zugänglich machen. Denn Geschichte ist immer auch Diskussion über verschieden bewertete, glaubwürdige oder eben auch weniger vertrauenswerte Quellen. Dafür braucht es keineswegs immer nur akademisch ausgewiesene Historikerinnen oder Archivare. Das kann auch jeder gründliche, lesekundige und am quellenkritischer Prüfung interessierte Laie, Familienforscherinnen oder Genealogen etwa, Heimatkundlerinnen oder Geschichtsfreunde. Ganz besonders dann, wenn sich im Familienerbe oder einem Nachlass Erinnerungen der Vorfahren finden, ob nun an ihre Schul- und Ausbildungszeit, an Reisen, Berufskarriere oder Kriegsdienste.
Solch ein Familienforscher ist der Herausgeber der jüngst vorgelegten Quellenpublikation, der Schriftsetzer und Drucktechniker Otmar Hoefer (* 1953). Er hat jüngst die „Jugenderinnerungen“ seines 1851 in Kraja geborenen Urgroßvaters, des Otto Hoefer (1851 – 1928), in einem sehr gut lesbaren und wohlillustrierten Buch im Eigenverlag der Öffentlichkeit präsentiert. Die Erinnerungen sind aus dem „gotischen“ d.h. in sauberer deutscher Kurrentschrift gehaltenen, Originaltext von seinem Bruder Joachim Hoefer in mühevoller Arbeit transkribiert worden.
Otto Hoefer (1851 – 1928), der Verfasser jener nun als heute und für alle lesbar vorliegenden „Jugenderinnerungen“ wurde in Kraja geboren und wuchs in einer evangelischen Pfarrersfamilie im Südharz, in Großwechsungen, auf. Neben der eingangs vorgestellten älteren Familiengeschichte erzählt er von seiner Kindheit mit sechs Geschwistern in Großwechsungen und seiner Schulzeit am Gymnasium in den 1860er Jahren in Nordhausen. Mit viel Liebe zum Detail schildert er das Leben im Elternhaus, im Dorf und in der sich gerade zum Industriestandort hebenden ehemaligen Reichsstadt. Auch beschreibt Hoefer die Denk- und Handlungsweisen vieler seiner Zeitgenossen, denen er hierzulande begegnete, namentlich der Nordhäuser Lehrerschaft. Er nimmt den Leser mit auf den damaligen Jahrmarkt mit seinen Attraktionen, so z.B. den Zirkus Hinne und Hagenbecks Menagerie. Schließlich berichtet er auch von seinem Kriegsfreiwilligeneinsatz im Deutsch-französischen Krieg 1870/1871, u.a. bei der Belagerung von Paris und vom Leben und Leiden im besetzten Nordfrankreich.
Seine Erfahrungen bewegten den jungen O. Hoefer zu Ausbildung und Studium als Jurist im königlich preußischen Staatsdienst, wonach er sich als Militärintendant für die Versorgung der nunmehr Deutschen Armee im Kaiserreich betätigte. Aufgrund seiner Leistungen wurde er 1900 zum „Wirklichen Geheimen Kriegsrath“ ernannt. 1903 wurde er in den Ruhestand versetzt und nahm sich dann 1905 die Zeit, für seine Söhne Karl und Otto seine Erinnerungen auf der Basis der gesammelten Briefe aufzuschreiben. Schließlich ließ O. Hoefer die Niederschrift in einem Buch von 700 Seiten kostbar beim Buchbinder Mulhaupt in (Bad) Heiligenstadt einbinden. Sie ist bis heute in der Familie erhalten, ebenso die Konzepte zu einzelnen Kapiteln in umgenutzten Schulheften seiner Gattin.
Obwohl nicht wenig Text vom Krieg zweier europäischer ‚Erbfeinde‘ des 19. Jahrhunderts handelt, sind die „Jugenderinnerungen“ jenes Südharzers dennoch ein Dokument, das der heutigen Leserschaft aufzeigt, wie wichtig es ist, im Frieden zu leben. Heutige Kriege scheinbarer ‚Erbfeinde‘ illustrieren überdeutlich, daß das Setzen auf kompromißlose Gewalt und immer mehr Waffen für den „Siegfrieden“ keine Lösung sein darf. „Mit Zerstörung kommt die Menschheit nicht weiter“, so der Herausgeber Otmar Hoefer. Und nur im „Frieden entstehen die Dinge, die uns ein freies und besseres Leben bescheren“. Auch dafür und darum sollte eine solche „Jugenderinnerung“ im gegenwärtigen Südharz gelesen und verstanden werden.
Mehr zum Autor Otto Hoefer (1851 – 1928) ist demnächst zu erfahren unter: www.kghoefer.de/ottohoefer.html
Der Band ist im Spätherbst 2024 im Eigenverlag über „books on demand“ (Norderstedt) erschienen und bietet 477 S. mit etlichen Abb., ISBN 978-3-7597-0627-0.