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Beitrag von: Dr. Wolfram G. Theilemann

Helen Roche über die Napolas

The Third Reich’s Elite Schools. A History of the Napolas.

Die Eliteschulen des ‘Dritten Reiches’. Eine Geschichte der Napolas – neu erschienen !

Auf der Basis von Quellenrecherchen in 80 Archiven in sechs verschiedenen Ländern der Welt und von Zeitzeugengesprächen mit über 100 ehemaligen Schülern präsentiert Dr. Helen Roche die erste grundlegende Geschichte der bekanntesten Eliteschulen des „Dritten Reichs“ – den „Nationalpolitischen Erziehungsanstalten“ (Napolas / NPEA).

Die ‘Napolas’ – wie es sie auch in Ilfeld oder Ballenstedt im Harz gab – sahen eine allumfassende, nationalsozialistische „totale Erziehung” vor, die ideologische Indoktrination, vormilitärische Ausbildung und ein reiches Maß an außerschulischen Aktivitäten vorsah, so z.B. Schulausflüge und Austauschprogramme in Europa und darüber hinaus. Indem sie die attraktivsten Elemente der Reformpädagogik, Traditionen der Jugendbewegung und das militaristische Ethos der preußischen Kadettenanstalten kombinierten, nahmen die so geformten Schulen ihre Schüler ab zehn Jahren auf, um sie zu Führerfiguren auf jedwedem Lebensweg des ‚Dritten Reiches‘ zu formen.

Diejenigen, die erfolgreich die zermürbenden Aufnahmeprüfungen bestanden, bei denen physische Fähigkeiten, Mut und ‘rassische Reinheit’ zugleich mit schulischen Kompetenzen geprüft wurden, mussten sich nunmehr an ein Leben in einer hochmilitarisierten und abschlossenen Internatsschulgemeinschaft gewöhnen. Durch eine ausführliche Beschreibung des Alltagslebens in den Napolas, als auch durch eine systematische Analyse der Prägungen, die verschiedene Schulen des NPEA-Systems jeweils aufgrund ihrer vor-nationalsozialistischen Traditionen erfuhren, beleuchtet die Studie einerseits jene Qualitäten, die die NS-Führung ihrer künftigen (Elite-) Bürgern einflössen wollte. Dadurch trägt sie wichtige Erkenntnisse zu den Schlüsselfragen der politischen, sozialen wie kulturellen Geschichte des ‚Dritten Reiches‘ bei. Sie zeigt andererseits, daß die Geschichte von Erziehung und Jugendbildung unser allgemeines Verständnis (auch) jener Zeit auf neuartigen Wegen erhellen kann. Dank der Forschungsergebnisse von H. Roche muss jenes NPEA-System als das effizienteste Erziehungsexperiment der NS-Diktatur betrachtet werden.

Dr. Helen Roche ist Assistenz-Professorin für Moderne Europäische Kulturgeschichte an der Universität Durham in Großbritannien. Sie hat bisher mehrere Stipendien an den Universitäten Cambridge und London erhalten und ausgiebig zur deutschen Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert publiziert. Vornehmlich widmete sie sich der Bildungs- und Erziehungsgeschichte, dem Nationalsozialismus und Studien zur Antike-Rezeption und ist zugleich u.a. Mitglied im wissenschaftlichen Beirat zum städtischen Forschungsprojekt „Nordhausen April 1945“.

Dr. Roche legte u.a. folgende Bücher vor: „Sparta’s German Children” (2013), „Brill’s Companion to the Classics, Fascist Italy and Nazi Germany”(ed., 2018) und „Surviving ‘Stunde Null‘: Narrating the Fate of Nazi Elite-school Pupils during the Collapse of the Third Reich”, das 2015 preisgekrönt wurde.

Auch hielt sie 2016 im Geschichtsverein Nordhausen einen Vortrag zur Napola Ilfeld und wurde jüngst Mitbegründerin von ‘Claiming the Classical‘, einem globalen Forschungsnetzwerk, das die politische Aneignung der antiken Welt im 20. Jahrhundert nachzuzeichnen versucht. Gegenwärtig forscht Dr. Roche zur Alltagsgeschichte im Faschismus der Zwischenkriegszeit.

Der Band ist im November 2021 erschienen bei Oxford University Press und bietet 544 S. mit 22 Abb., ISBN 9780198726128. Eine deutsche Übersetzung ist in Vorbereitung.