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Beitrag von: Dr. Wolfram G. Theilemann

Mit dem Harzraum verbundene Gewaltopfer der NS-Herrschaft werden im „Deutschen Martyrologium“ vor dem Vergessen bewahrt

Die seit 1999 erarbeitete Forschungsbilanz „Martyrium und Wahrheit. Zeugen Christi im 20. Jahrhundert“ thematisiert methodische Überlegungen zum Martyrium und erarbeitet Gemeinsamkeiten wie Unterschiede im Verständnis der christlichen Konfessionen. Sie vertieft zugleich die Kenntnis auch über die mit dem Harzraum verbundenen Gewaltopfer christlicher Konfession in der Zeit des „Dritten Reiches“. Nun liegt sie in überarbeiteter 7. Auflage vor (ISBN 3-928273-74-4; 238 Seiten).

Der Herausgeber, Prälat Prof. Dr. Helmut Moll, ist Beauftragter der Deutschen (römisch-katholischen) Bischofskonferenz für ein Martyrologium des 20. Jahrhundert. Papst Johannes Paul II. hatte seine Kirche beauftragt, dafür zu sorgen, dass die Zeugnisse derjenigen nicht verloren gingen, die in den Verfolgungen des 20. Jahrhunderts an ihrem Glauben festgehalten und dafür ihren Tod in Kauf genommen hatten. Rund 160 Fachleute aus dem In- und Ausland erstellten seither biographische Artikel, die in vier Kategorien Gewaltopfer des Nationalsozialismus, des Kommunismus, der Reinheitsmartyrien und Gewaltopfer in den Missionsgebieten gefasst wurden.

Auch Personen aus dem Harzraum spielen in diesem Werk eine Rolle, wie Prof. Dr. Moll betont:

  • Schon früh wurde der Reichsführer der katholischen Sportbewegung Adalbert Probst (1900-1934) Opfer des NS-Regimes. Die NS-Führung beanspruchte den Zugriff auf das Sportwesen im Reich und beabsichtigte, das Leben der katholischen Sportverbände zu unterbinden. Im Rahmen der „Röhm-Affäre“ wurden unliebsame Gegner aus dem Weg geräumt. In Braunlage erfolgte der Zugriff auf Probst seitens der SS bei einer Besprechung am 1.07. 1934. Ein Prozess wurde ihm nie gemacht. Er starb am 2.07.1934 auf dem Transport nach Lichtenberg bei Berlin.
  • Der evangelische Regierungsrat a.D. Karl Schapper (1879-1941) stammte aus Groß-Möringen/Altmark. Er besuchte das Fürstlich Stolbergsche Gymnasium in Wernigerode von 1889 bis 1897. Nach der Heirat konvertierte das Paar zum katholischen Glauben. Als Jurist standen ihm die NS-Ideologie und der Katholizismus als unversöhnlich gegenüber. Schapper starb im Gefängnis Berlin-Plötzensee am 1.02.1941.
  • Christoph Hackethal (1899-1942) wurde am 1.10.1934 Pfarrer der katholischen Gemeinde in Bad Harzburg-Bündheim. Er bleib als unermüdlicher Seelsorger in Erinnerung, der sich nach Kriegsbeginn auch um die Patienten in dem Lazarett von Schierke und – ungeachtet aller Verbote – um die polnischen Zwangsarbeiter der „Reichswerke Hermann Göring“ bemühte. Er stellte offen den militärischen Erfolg des NS-Systems in Frage, wurde denunziert und am 18.04.1941 im Pfarrhaus verhaftet. Er starb nach Haftstrafen am 25.08.1942 entkräftet im KZ Dachau.
  • Pfarrverweser in Helbra bei Eisleben war Pfarrer Dr. Dr. Robert Quiskamp. Wegen Seelsorge an polnischen Zwangsarbeitern wurde er verhaftet und starb 1943 in Paderborn.
  • Vor der Staatsanwaltschaft Nordhausen beklagte sich Pater Josef Averesch aus dem Kloster Heiligenstadt über Reichsmarschall Hermann Göring. Der Redemptoristenpater starb an den Haftfolgen, nachdem er das KZ Dachau überlebte, im Jahre 1949.
  • Pfarrer Josef Müller (1894-1944) war von 1932 bis 1934 tätig in der katholischen Gemeinde in Bad Lauterberg. Mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber der NS-Ideologie hielt er auch in seinen Predigten nicht hinter dem Berg. Seine angegriffene Gesundheit machten mehrere Versetzungen nötig. Führende Größen des NS-Regimes verglich er in seinem eigenen Sterben mit den Verbrechern, die an der Seite Christi gekreuzigt wurden. Am 11.09.1944 erfolgte seine Hinrichtung im Zuchthaus Brandenburg-Görden.
  • Rudolf Konstantin Vogel, Jahrgang 1892, war von 1922 bis 1926 Lehrer in russischen Bibelkursen an der Bibelschule des Missionsbundes in Wernigerode. Der baptistische Theologe wurde 1949 in Berlin-Charlottenburg verhaftet und starb zwischen 1950 und 1954 in sowjetischer Haft.

Zweifelsohne ist aber noch manches mehr auf lokaler Ebene in Nordhausen und im Südharz erforschenswert und herauszufinden –  wenn Pfarrarchive erschlossen, Kirchenbücher transkribiert, Pfarrbibliotheken inventarisiert oder „oral history“- Projekte vor Ort angegangen werden.

Die 2019 erstmals in Nordhausen erschienene „Zeitschrift für Südharzer Kirchengeschichte. Beiträge zur kirchlichen Kunst, Verwaltung und Gesellschaft im südlichen Harzvorland“ dürfte ein wichtiger Schritt in diese Richtung gewesen sein, der 3. Jahrgang ist in Vorbereitung. Wie schon traditionell bieten auch die Beiträge“ des Nordhäuser Geschichtsvereins e.V. immer wieder Aufsätze und Forschungsergebnisse in dieser Richtung.

Schließlich widmet sich der diesjährige 29. Tag der Thüringischen Landesgeschichte am 24.09.2022 in Holzdorf bei Weimar dem Themenfeld „Religion und Gesellschaft“.